Der „andere Dialog“ beginnt satirisch.
Aber Brigitte Stein berührt zugleich eine tiefere Schicht der Wahrnehmung. Mischwesen mit äußerst mythologischen Anklängen, das fällt sogleich an Brigitte Steins Abschlussarbeiten auf. Der Ziegenkopf ist dabei ein Motiv, das Brigitte Stein schon seit einigen Jahren begleitet, das von ihr immer wieder ausgeführt wird. Von jeher also steht Brigitte Stein in einem „anderen Dialog“ – mit anderen Wesen, mit sich selbst auf eine andere Weise, mit einem anderen Selbst und über eine andere Kunst. Die „anderen Wesen“ wissen etwas vom Leben, das der Mensch nicht weiß. Nun, Ziegen sind eben sehr kluge Tiere.
Brigitte Steins Skulpturen also strotzen vor Lebendigkeit, sie spielen gleichsam alle Möglichkeiten des Lebens durch: der ungeheure Fuß, aus dem sich ein Kopf erhebt, und aus diesem Kopf wiederum wächst ein Ziegenkopf. Ein Fuß, der sich in eine Ziegenfigur verjüngt, und diese hält in übergroßen Händen einen weiteren Ziegenkopf. Jene Ziegenfigur, die in ihren Händen links einen Menschenkopf, rechts einen Ziegenkopf trägt. Das ist ein zweites starkes Motiv: Der Fuß, der so viele Skulpturen trägt und gleichsam austrägt und hervorbringt. Allgemein gilt ja der Fuß als Sitz besonderer Macht – in manchen Kulturen sogar als Sitz der Lebenskraft. Die Fruchtbarkeit des Fußes, ja, die Geburt aus dem Fuß als mythologisches Motiv ist vielfach belegt.
Brigitte Stein begibt sich mit ihrem „anderen Dialog“ gewissermaßen in die ferne Vergangenheit mythologischer Anklänge. Sie rührt dabei – weit weg von den modernen Mischwesen etwa der Gentechnik – an die Sehnsucht nach künftiger Vielfalt und Ganzheit des Lebendigen.
Auszüge von Christoph Schubert-Wellers Rede